Mehr als 500 Jahre sind vergangen, seit Gasparo Contarini, einer der aufgeklärten Intellektuellen des 16. Jahrhunderts, beschloss, seinen Palast an der nördlichsten Ecke Venedigs zu errichten.

Einer seiner führenden Gedanken dabei war wahrscheinlich, einen großen Garten mit einem “Casino” (= kleines Haus) zu besitzen, um, ganz in venezianischer Tradition, Freunde, und in seinem speziellen Fall, die Intellektuellen der Stadt, als Gäste aufnehmen zu können.

 

Zu jener Zeit war die Kirchenreform ein großes Thema, für die sich Gasparo intensiv einsetzte, obgleich er dabei keine großen Erfolge aufzeigen konnte. Sein Ziel, die Spaltung zwischen Lutheranern und Katholiken zu vermeiden, sollte ein Traum bleiben, mit den bekannten Konsequenzen der Spaltung der ”einen” in zwei unterschiedliche Kirchen.

 

Unter den herausragenden Intellektuellen, die Stammgäste des Casino waren und unterschiedliche aktuelle Themen diskutierten, befanden sich sowohl Tizian als auch Aretino.

 

Sie wurden “spiriti”, d.h. “auserwählte Geister” genannt und das (relativ) kleine Haus von damals wird auch heute noch “Casin dei Spiriti”, d.h. “Haus der Geister” genannt; in der volkstümlichen Phantasie jedoch, wurde das Schlagen der Wellen mit den Geräuschen verbunden, die Geister verursachten; auf diese Weise rutschte die Bedeutung von “intellektuell” sehr schnell zu “Geistern” ab.

 

Zu Ehren der volkstümlichen Tradition organisierte der letzte private Besitzer, Mr. Eggs, Feste, in denen er seine Gäste, die Kellner und alle Teilnehmer aufforderte, sich diesem Thema in Kleidung und Verhalten anzugleichen.

 

Und gerade er, der mit Leib und Seele an dem Garten hing, musste sich damit abfinden, dass er aufgrund der Größe desselben nicht in der Lage war, ihn angemessen zu pflegen und ihn in einem guten Zustand zu erhalten.

Der Verkauf des ursprünglichen Contarini-Besitzes war für ihn nicht leicht, weshalb er sich gezwungen sah, ihn in 2 Teile aufzuspalten; auf diese Weise wurden zwei unterschiedliche Käufer zu den aktuellen Besitzern.

 

Vom Tor aus unterscheidet man beide Besitztümer, links des Tors das sogenannte Casa del Cardinal Piazza, mit einem Garten, der sich hauptsächlich als Wald mit dichten und hohen Bäumen entwickelt hat, und rechts das sogenannte Casa della Divina Provvidenza, Cottolengo, das sich vor allem als Garten im engeren Sinn, mit Blumen, großen Grasflächen und vereinzelten Bäumen entwickelt hat. Es ist unglaublich, wie die Kräfte der Natur in wenigen Jahrzehnten Veränderungen herbeiführen können.

In diesem Post widme ich mich ausschließlich dem Besitz der Cottolengo-Schwestern, in deren Besitz sich das Casino und in der heutigen Kapelle das interessante Fresko aus dem 18. Jh. befinden (Foto Nr. 1, 2, 3, 4, 5).

die acht Dogen der Contarini-Familie, die einzige, die acht Mal an der Spitze des Staates vertreten war; Deckenmonochrom

einige der Admirale, “Capitani da mar” genannt; ein großer Stolz der Contarini-Familie, in einem der monochromen Deckengemälde dargestellt

Ausschnitt einer Ecke des Freskos der Tiepolo-Schule

Ausschnitt des zentralen Freskos mit dem Wappen der Contarini, die mit einer Krone geehrt wurden aufgrund der Ernennung zum Grafen von Jaffa, d.h. Zaffo, damals in Palästina. In der Tat erhielt Giorgio Contarini diesen Titel 1473 von der Königin von Zypern, Caterina Cornaro, der ihn zum höchsten Würdenträger der Insel machte. Nach der Eroberung durch die Türken, hingegen, wurde er ehrenamtlich, wenngleich er sehr begehrt blieb

ein Fresko-Ausschnitt, auf dem Venedig an der Form des “Corno”, der Kopfbedeckung des Dogen, erkennbar ist, daneben der Markuslöwe mit den langen Barthaaren, während im Himmel Putten mit der Kette fliegen, welche die Republik als weitere Ehrung für den Grafentitel auch den Nachfahren Contarinis verleihen sollte

Der Garten wurde mehrmals verändert und hat die formalen Eigenheiten des Italienischen Gartens nicht beibehalten, so wie sie uns in einer schönen Vedute des späten 18. Jahrhunderts von Francesco Guardi überliefert sind. Nun ist er eher eklektisch, enthält einen absurden Hügel aus dem 19. Jahrhundert, um präzise zu sein, aus der Romantik, mit einem Becken mit Seerosen und ornamentalen Goldfischen in seiner Mitte, die sich natürlich sehr von den zahlreichen Fischarten der Lagune unterscheiden (Foto Nr. 6).

Hügel-Panorama in Richtung Osten

Beim Eintreten bemerkt man sehr schnell das Bestreben – das bereits bei den vorherigen Besitzern bestand – einige Teile des Gartens zu erhöhen, um sie vor Hochwasser zu schützen.

Die Schwestern bezeugen Maria ihre Hingabe durch die Rosen; entlang des Wegs, welcher parallel zum kleinen Hafen verläuft, wächst eine wunderschöne Reihe von weißen Rosen, Kosmos, und roten Sevillana (Foto Nr. 7, 8).

rechts des Wegs die Rosen „Kosmos“ und „Sevillana“, links davon „Penelope“

die Rose „Kosmos“ und „Sevillana“, Ausschnitt

Aber auch zahlreiche andere flächendeckende Rosenarten schmücken den Weg, wie die weiße Penelope (Foto Nr. 9)

die Rose „Penelope“ mit ihren verführerischen goldenen Staubblättern

und die zartrosa Satina.

Im Winter, wenn die Rosen ruhen und uns nicht mit ihren Blüten erfreuen, gebärt sich die Nandine als Herrin, mit ihren langewährenden, schönen roten Beeren (Foto Nr. 10).

Hecke aus „Nandine“ in der Phase, in der sie lackrote Beeren trägt

Ungewöhnlich ist im Großteil unserer venezianischen Gärten, auch wegen Platzmangel, die Buddleja (auch Schmetterlingsflieder oder Sommerflieder genannt); hier sehen wir sie in unterschiedlichen Farben, sowohl im Schmuckgarten als auch im ehemaligen Nutzgarten. Diese Blume wächst gewöhnlich entlang von Gräben, jedoch nicht in meiner Stadt.

Auch der duftende Pfeifenstrauch (Foto Nr. 11)

„Pfeifenstrauchblüten“, die dank ihres ähnlich betörenden Duftes als Alternative zu Orangenblüten verwendet werden

darf nicht fehlen, eine Blume, die häufig für Brautsträuße gewählt wird und welche hier dem Strauchigen Brandkraut Konkurrenz macht, das gegenüber wächst (Foto Nr. 12).

„Strauchiges Brandkraut“, volkstümlich als „Gelber Salbei“ bezeichnet, sowohl wegen der Blätterform als auch wegen des aromatischen Duftes, der dem Salbei ähnelt

Der Garten enthält sogar eine Alte Rose, die Chinensis Mutabilis (Foto Nr. 13);

die Rose „Chinensis Mutabilis“ mit ihren einfachen Blüten, in Farbtönungen zwischen gelb, orange, kupferrot bis tief violett

leicht wie ein Schmetterling, verändert sie im Laufe ihres Lebens kontinuierlich ihre Farbe; es ist eine der ersten chinesischen Rosen, die im 18. Jahrhundert in Europa eingeführt wurde und durch die Kreuzung mit unseren Rosenarten ermöglichte sie eine längere Blütezeit.

In der aktuellen Gartenorganisation beiben lediglich Spuren des Gartens aus dem 18. Jahrhundert sichtbar, wie ihn Guardi uns überliefert hat; darunter ist der Weg klar sichtbar, der einen Arm des lateinischen Kreuzes bildete (Foto Nr. 14)

seitliche Öffnung beim Hafen mit den roten Beeren des „Viburnum Tino“

mit Öffnung auf den aktuellen Hafen einerseits, und mit einer großen Ädikula andererseits, die in den kürzlich gebauten überdachten Durchgang eingeschlossen wurde (Foto Nr. 15).

Ädikula, die den Pfad des kurzen Arms des alten Kreuzes unterstrich

Der Durchgang wurde gebaut, um die beiden Besitztümer zu trennen und sie voneinander unabhängig zu machen, auch wenn dies zu Ungunsten des gesamten Bildes geschah. Der Gang ermöglicht es nun, den Palast mit dem Casino zu verbinden, dem oben erwähnten, am Ende des Gartens gelegenen Bau. Dieser war oft kleiner als der unsere und je nach Bedürfnis wurde er als Bibliothek, Teesaal oder Raum für nicht-offizielle Begegnungen etc. genutzt.

Das Casino wird heute von den Schwestern bewohnt, der Palast, hingegen, von pflegebedürftigen älteren Frauen.

In der Mitte der beiden großen Beete befinden sich zwei kleinere, die von denselben roten und weißen Rosen eingerahmt werden, die wir am Wegrand gesehen haben (Foto Nr. 16)

inneres Beet mit „Brustbeerbaum“, umringt von den bekannten Rosenarten

und in deren Mitte je ein Baum steht, ein Brustbeer- und ein Granatapfelbaum.

Auch entlang der Wand des überdachten Ganges wachsen Mittelmeerpflanzen wie das Graue Heiligenkraut und das Silberblatt, deren von Härchen geschützte silberne Blütenblätter den Nachttau speichern, um die notwendige Feuchtigkeit über Tag zu halten (Foto Nr. 17).

das „Silberblatt“ im Vordergrund, gefolgt von dem „Grauen Heiligenkraut“

Es gibt außerdem schöne Myrtenpflanzen (Foto Nr. 18)

eine „Myrte“, eine heilige, Venus geweihte Pflanze, die für die Kränze der Dichter genutzt wurde, welche die Liebe besangen. Seit damals galt sie als Symbol für Dichtung und Zusammenkünfte im Allgemeinen

und zahlreiche Hortensien, die in Venedig wegen des Eisenmangels im Boden nicht leicht gedeihen.

Und nun fehlen noch zwei Worte zu dem Gartenteil, der zuvor als Nutzgarten diente (Foto Nr. 19):

Ausschnitt des früher als Nutzgarten dienenden und heute veränderten Gartenteils

es gibt eine Immergrüne Magnolie und vier sorgfältig beschnittene Eiben. Die Eiben sind diözische Bäume (männlich und weiblich), deren Geschlecht in zwei Jahreszeiten gut erkennbar ist, da die weiblichen Bäume im Frühjahr hellgrüne Blüten tragen, und im Herbst den roten Arillus, den die Vögel besonders lieben.

In diesem Teil des Gartens steht auch ein Baum mit langen weißen Ähren, die Portugiesische Lorbeerkirsche (Foto Nr. 20).

die „Portugiesische Lorbeerkirsche“ oder „Prunus Lusitanica“; der lateinische Name kommt von der römischen Provinz “Lusitania”, dem Herkunftsort der Pflanze, der größtenteils dem heutigen Portugal entspricht

Unter den unterschiedlich farbigen Hortensien, die schüchtern versteckt sind und diese Beete schmücken, befinden sich außer der wunderschönen Ayesha mit den Kelchblättern in Form kleiner Kelche oder Löffelchen (Foto Nr. 21),

die Hortensie „Ayesha“

die purpurrote Merveille Sanguine (Foto Nr. 22)

die Hortensie „Merveille Sanguine“

und Soeur Thérèse (Foto Nr. 23),

die Hortensie „Soeur Thérèse“

blütenweiß, wie es sich für eine Schwester gebührt.

Ein Baum, der mit Venedig nichts zu tun hat und von dem niemand weiß, warum er hier wächst, befindet sich auch hier: die Araukarie (Foto Nr. 24),

im Vordergrund die „Araukarie“, mit Dornen an Rinde und Blattspitze

die aus Südamerika stammt (Chile), um präzise zu sein, aus dem Gebiet, in dem die Araukaner lebten.

Beim aktuellen Nutzgarten (Foto Nr. 25, 26)

Ansicht des umzäunten Nutzgartens

Ausschnitt des kleinen Nutzgartens

stehen ein Birnbaum und ein großer Feigenbaum und darin einige Pfirsich- und Aprikosenbäume; im Nutzgärtchen wachsen, je nach Jahreszeit, Artischocken, Tomaten, Zucchini oder Salatköpfe und Peperoncinopflänzchen (Foto Nr. 27).

Schwester Gabriella zeigt uns stolz die Pfefferschoten aus ihrem Garten

Aber bis vor wenigen Jahren wurden die aktuellen Grasflächen mit Pflanzen unterschiedlicher Tomatensorten bebaut.

Die Beete am Rand werden je nach Monat und Jahr von unterschiedlichen Blumen wie Zwergnarzissen, Tulpen, Krokussen ect. eingesäumt.

Hier und dort finden wir die Basis von Statuen, die im Laufe der Zeit verschwunden sind, als der Palast zeitweise unbewohnt war und zum Verkauf stand.

Wir können den Garten nicht verlassen, ohne von der Terrasse des Casino aus einen Blick auf die nördliche Lagune geworfen zu haben – es ist ein atemberaubender Blick: an klaren Tagen sieht man die Voralpen (Foto Nr. 28)

die Lagune in Richtung Festland

und an den anderen Tagen erkennt man das Festland mit dem Flugplatz im Westen, die Inseln im Norden – darunter Murano (Foto Nr. 29)

Murano und rechts davon das Kirchlein S. Michele in Isola

und S. Michele, der einzige Friedhof Venedigs (Foto Nr. 30) –

die Insel S. Michele

und ganz im Osten die Arsenalmauern.

Auf diese Weise zeichnen sich in der Veränderung der Natur und des Lebens die Spuren der Menschen aus vergangenen Zeiten ab, in ihren oft sorgfältigen Entscheidungen, und unserer Geschichte, an deren Reichtum wir uns in großer Zuneigung erinnern, wobei uns oft die Worte fehlen.

Loredana Giacomini
BestVeniceGuides
loredanagiacomini@gmail.com

 

 

 

 

 

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