Die Rosetta. Die venezianische Königin der Glasperlen

Jun 1, 2018berühmte Gestalten, Handwerk, Inseln, Kultur, Kunst, Kuriositäten, Lagune, Tourismus, Traditionen0 Kommentare

Detail einer Halskette mit Rosetta-Perlen

Perlen sind vermutlich das älteste Schmuckstück der Menschheit. Sie wurden bereits 38 000 vor Chr. aus Zähnen und Knochen von Tieren gefertigt, die dann durchbohrt und als Anhänger getragen wurden.

Die ersten Glasperlen haben möglicherweise ihren Ursprung um das Jahr 2300 vor Chr. in Mesopotamien. In Venedig hergestellte Glasperlen sind ab dem 13. Jahrhundert bekannt. Es gibt unzählige Ausführungen und Farben. Ein Blick auf eine Musterkarte des Glasmuseums von Murano genügt. Doch die bekannteste unter ihnen ist zweifelslos die Rosetta, die im 15. Jahrhundert in Venedig erfunden wurde.

 

Woher stammt dieser Name? Der Name Rosetta wurde zum ersten Mal von Marietta Barovier, Tochter des bekannteren Glasmeisters Angelo Barovier, verwendet, die das Muster eines Glasstabs mit einer Rose verglich. Es handelt sich normalerweise um ein zwölfzackiges „Muster“, das Sternen oder Blütenblättern ähnelt und das fast immer dieselben Farbkombinationen aufweist: weiß, blau, weiß, rot, weiß und schließlich blau. Die ältesten Modelle sind aus sieben Lagen aufgebaut. Die Modelle aus dem 19. und 20. Jahrhundert weisen sechs oder vier Lagen auf.

Wie ist eine Rosetta-Perle aufgebaut? In den im Ofen befindlichen Glasschmelzbecken müssen die entsprechenden Farben bereit sein.

Die Arbeit wird von einer Gruppe von vier bis fünf Personen ausgeführt, bei der jede eine bestimmte Aufgabe hat.

Im ersten Arbeitsschritt entnimmt ein Glasarbeiter aus dem Schmelztiegel eine kleine Menge an weißem Glas. Das geschieht mit einer Eisenstange, die auf einer Bronzeplatte gedreht wird, um dem Glas eine zylindrische Form zu geben. Nun wird mit einer Zange ein Loch ins Innere des Zylinders gemacht, der jetzt in das Schmelzbecken mit dem blauen Glas getaucht wird. Die so geformte Masse wird, sobald sie aus dem Ofen genommen wird, in eine offene, 12-zackige Pressform (eine Art Glasgefäß) gedrückt. Das Eintauchen in andersfarbiges Glas und die „Formung“ werden mindestens dreimal wiederholt, wobei die blaue Lage zuletzt aufgetragen wird. Während der gesamten Fertigung kommt es darauf an, dass sich das zu Beginn gefertigte Loch nicht schließt, denn es ist das Fadenloch der zukünftigen Perle, sobald die Stange abgezogen wird.

Nach diesem Arbeitsschritt hat man einen gelochten Zylinder, der an der Außenseite blau gefärbt ist. Nun nimmt ein zweiter Glasmacher eine Eisenstange und haftet diese an das Ende des Zylinders an. Die beiden Glaszieher – Tiradori – entfernen sich voneinander und ziehen dabei den noch heißen Zylinder in die Länge, bis er die gewünschte Dicke erreicht. (Der Durchmesser der Rosetta-Perle kann einige Zentimeter bis wenige Millimeter betragen.)

Nun legen die Tiradori den in die Länge gezogenen Zylinder auf Holzleisten am Boden ab und schneiden ihn schließlich in ein Meter lange Stücke.

Im Querschnitt sind alle Lage und das Sternenmuster unserer Rosetta-Perle sichtbar … doch noch ist die Arbeit nicht zu Ende. Jetzt folgt der aufwendigste Arbeitsschritt: das Schleifen. Sobald das Glasrohr je nach gewünschter Größe in kleinere Teile geschnitten ist, wird mithilfe einer gerillten Gusseisenscheibe und mit Sand und Wasser und natürlich mit fachkundigen Händen, kleine Mengen Glas von der Oberfläche des Zylinders abgetragen, der langsam die längliche Fassform annimmt und das schöne Zackenmuster auch an der Oberfläche zeigt. Zuletzt wird die Oberfläche abgeschliffen, um sie noch glatter zu machen (Trommelschliff) und dann poliert.

Fertigungsschritte einer Rosetta-Perle

Je nach der Art des Schleifens erhält die Rosetta unterschiedliche Formen: rund, länglich, kantig, doch die klassischste aller Formen ist die längliche Fassform.

Runde Rosetta-Perle mit verschiedenen Farbkombinationen

Längliches Rosetta-Modell

Fassförmige Rosetta-Perle

Die Rosetta wurde nach Afrika, Indien und Amerika exportiert, wo sie oft mit anderen Schmuckelementen aufgezogen wurde. Ihr wurden schützende Kräfte zugesprochen, sie gab die soziale Stellung und das Alter des Besitzers an und sie war die erste venezianische Perle, die als Zahlungsmittel zum Tausch von Gold, Edelsteinen, Elfenbein, Gewürzen gehandelt wurde. Mit ihr als Zahlungsmittel erhielt man auch die Genehmigung der Stammeshäuptlinge zum Durchqueren ihrer Gebiete. Normalerweise wurde sie als „Bündel“ zu hundert auf einem Baumwollfaden aufgefädelte Stücke versandt.

Außerdem ist es interessant zu wissen, dass im August 1610 englische Siedler an den Küsten von Cupids, heute Cuper Cove, in Kanada, gelandet sind. Von hier aus breiteten sie sich in Richtung Nordamerika aus und tauschten mit der ansässigen Bevölkerung Münzen, Bernstein- und Rosetta-Perlen. Aus diesem Grund feierte die kanadische Post im Jahr 2010 die 400-jährige Geschichte Kanadas mit einer Briefmarke, auf der zwei Münzen und eine Kette mit Rosetta-Perlen zu sehen sind.

Kanadische Gedenkbriefmarke. Foto von Giorgio Teruzzi.

Seit 1911 bewahrt das Unternehmen Ercole Moretti die Geheimnisse der Königin der Perlen: Die aristokratische Rosetta, die seit 600 Jahren ferne Völker mit ihrer Faszination erreicht.

Alessia Ferrari Bravo

BestVeniceGuides

www.guidaturisticavenezia.it

 

 

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