Die Insel Burano über die Spitzen und die bunten Häuser hinaus
Nov 1, 2018Bildhauerkunst, Geschichte, Kunst, Lagune, Malerei, Urbanistik0 Kommentare

Ein besonderes Licht erhellt die Lagune von Venedig und ihre Inseln
Ich habe keine genauen Erinnerungen an Burano, obwohl ich es jedes Jahr besichtigte. Jedoch frage ich mich, welchen Eindruck diese Insel heutzutage bei den Millionen von Touristen hinterlässt.

Burano, seine bunten Häuser und die Boote an einem ruhigen Wintertag
Fast alle Touristen, die ich kenne, haben Burano wegen der traditionsreichen Spitzenstickerei und der bunten Häuser besucht. Shopping und Fotos schießen. Die Touristen ziehen in Strömen durch das Zentrum der Insel, halten an den zahlreichen Läden, mitunter probieren sie die typischen Kekse namens “Bussolà” in Kringelform aus oder die “Esse”, aus dem gleichen Teig aber in Form eines “S”, daher der Name… Und viele Fotos. Farbreflexe im Wasser. Ein Zusammenspiel von Blau und Gelb. Der schiefe Glockenturm.
Die Insel ist besonders interessant wegen ihrer städtebaulichen Gestaltung. Die Grenzen zwischen privatem und öffentlichem Raum sind fließend. In den Gassen hängt die Wäsche, einfache Vorhänge versperren Neugierigen den Blick in die Intimsphäre der Häuser, deren Eingangstür zum Lüften offen gehalten wird. Die bebauten Flächen sind von Wiesen umgeben, wie ein mittelalterliches Schloss vom Ringgraben. Die Aussicht auf die Lagune und ihre Inseln ist herrlich. Bei klarem Himmel sind in der Ferne die Dolomiten und die Stadt Venedig zu sehen. Auf der Wiese, die die Insel umgibt, liegen die Boote auf dem Trockenen und warten darauf, repariert zu werden. Im kleinen Hafenbecken befinden sich auch einige Fischerboote. Und die Netze liegen in großen Eimern zum Trocknen in der Sonne.

Einige Fischerboote im Hafenbecken der Insel Burano

Die Wäsche hängt draußen in der Sonne auf der Insel Burano
Ein Spaziergang führt zum Platz der Insel, wo sich die Kirche des Heiligen Martin, die Statue des namhaften Musikers Baldassarre Galuppi und das Spitzen-Museum befinden. Merkwürdigerweise erscheint der Platz ruhig im Vergleich zur überfüllten Hauptstraße der Insel. Überfüllt von Touristen tagsüber und von den Einwohnern abends.
Nicht vielen ist jedoch bekannt, dass die Insel auch wegen ihrer Maler berühmt war, vor circa einem Jahrhundert, als es zu einem großen Wandel kam: Chioggia, die Fischerstadt südlich der Lagune, verlor ihren Rang als beliebteste Stadt der Maler.
Künstler aus ganz Europa gingen ursprünglich nach Chioggia. Aus England, Österreich und Deutschland. Das Leben kostete dort fast nichts. Und die Lagune war das klassische Landschaftsmotiv für jene Maler: Die „Bragozzi“ genannten Fischerboote mit ihren Segeln, die Kanäle, die jungen Frauen mit schwarzen fransigen Schultertüchern. Aber Burano hatte sich als noch günstiger erwiesen. Eine Insel nur von Fischern und jungen Spitzenstickerinnen. Die Stickerei war eigentlich eine Kunst, die sich in den „Krankenhäusern“ oder in den adligen Häusern in Venedig entwickelt hatte. Aber Königin Margherita hatte 1872 ausgerechnet in Burano die Stickerei-Schule gegründet, um eine Einkommensquelle für arme Frauen der Insel zu schaffen. So zogen vor ca. 100 Jahren einige Künstler, die ärmsten, nach Burano und ihre Ansichten der Lagune und der Insel ersetzten seither jene von Chioggia.
Zu jener Epoche war Burano noch nicht so farbenprächtig. Oder besser gesagt, es gab nicht die intensiven und kräftigen Farben von heute. Die Häuser waren in hellen und zarten Tönen gestrichen. Pastellfarben. Sehr poetisch.

Die Inschrift weist darauf hin, dass Umberto Moggioli auf der Insel Burano in diesem Haus gewohnt hatte: “Landschaftsmaler von Gewässern und Sternen, von Bäumen und Himmeln in der öden Lagune”
Pio Semeghini, Gino Rossi, Arturo Martini und Umberto Moggioli: Sie waren die Maler, die zu Beginn des XX. Jahrhunderts aus verschiedenen italienischen Städten nach Burano zogen. Ein Journalist bezeichnete sie als “die Ärmsten und Verkanntesten“. “Verkannt” von der Biennale und der akademischen Welt, die die offizielle und altehrwürdige Kunst bevorzugte. „Die Ärmsten“, weil sie nach Paris gereist waren und niedrige Arbeiten verrichtet hatten — Arturo Martini hatte auch als Milchmann gearbeitet —. Auf der Insel Burano hatten sie aber Zuflucht gefunden: Dort kostete das Leben nichts und mit wenig Geld oder gegen Gemälden oder Zeichnungen erhielten sie Polenta und frittierten Fisch zum Essen, während sie sich über Kunst unterhielten.

Kohleportrait einer Frau im Restaurant Da Romano in Burano, von Umberto Moggioli

Portrait eines jungen Mannes im Restaurant Da Romano in Burano, von Umberto Moggioli
Einige dieser Werke sind im Museum Ca’ Pesaro in Venedig aufbewahrt, viele Bilder sind aber auch in Burano zu sehen. Die Kunstgalerien sind jedoch die Restaurants. Romano Barbaro war ein großer Sammler von Kunstwerken. Hunderte Bilder hängen an den Wänden des Lokals, das früher sein Restaurant war und zeigen, dass Burano nicht nur die Insel der Maler war, sondern auch die Wiege einer neuen Kunst neben der metaphysischen und futuristischen Malerei, die ebenso innovativ und revolutionär war.
Jene aufregende Epoche ging nach dem Ersten Krieg zu Ende. Manche Maler starben zu jung. Die Erinnerung an sie ist jedoch nicht erloschen und Burano – trotz seines weniger exklusiven Tourismus – ist immer noch ein Ort, an dem interessante Maler tätig sind und sich Kunst und Kreativität noch heute weiterentwickeln.
Luisella Romeo
BestVeniceGuides
www.seevenice.it
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