58. Kunstbiennale in Venedig 11. Mai – 24. November 2019 May you live in interesting times

Mai 11, 2019Kultur, Kunst, Tourismus, zeitgenössische Kunst0 Kommentare

StadtfuehrungenVenedigGiardiniLaraFavaretto, Lara Favaretto, Thinking Head, 2017-2019

Zum 58. Mal öffnet die große alte Dame der Biennalen – die Kunstbiennale in Venedig – am 11. Mai 2019 ihre Tore für die Besucher aus aller Welt und empfängt diese unter dem Motto „May you live in interesting times„.

AUSSTELLUNG

StadtfuehrungenVenedigGiardiniSunYuanPengYu.jpg, Sun Yuan und Peng Yu, Can´t help myself, 2016

Kurator der diesjährigen Biennale ist Ralph Rugoff (New York 1959), der nach Robert Storr im Jahre 2007 als zweiter Amerikaner die Kunstbiennale kuratiert. 79 internationalen Künstler KuenstlerBiennale2019 gab der Kunsthistoriker Rugoff als Leitmotiv ein chinesische Sprichwort mit auf den Weg: „May you live in interesting times„.

Ein Sprichwort, das nichts Gutes verheißt, sind doch die „interessanten“ Zeiten der Geschichtsschreibung nicht die, in denen Ruhe und Harmonie herrschte – mehr gibt es darüber nicht zu berichten, sondern interessant sind die Zeiten, in denen etwas passierte – Kriege, Katastrophen, Desaster. Gesagt hat das in China der britische Botschafter Sir Austen Chamberlain in den 30er Jahren, er wurde vielfach zitiert von westlichen Politikern. Die Chinesen kennen dieses Sprichwort nicht – Fake News?

Die Werke der eingeladenen Künstler der AusstellungMay you live in interesting times“ soll-t-en die unsicheren, prekären Aspekte unsere zeitgenössischen Existenz reflektieren und der Frage nachgehen, welches in unserer Zeit, d.h. der Zeit nach den großen Weltkriegen, die existenziellen Bedrohungen für Traditionen, Institutionen, Beziehungen der Menschen sind.

Kunst übt keine politische Macht aus. Kunst kann keine nationalistischen Bewegungen stoppen. Kunst kann nicht das Aufkommen totalitärer Regimen verhindern. Kunst kann nicht das Schicksal der völkerwandernden Menschen unserer Zeit verbessern.

Aber nur die Kunst kann diese Problematiken den Zeitgenossen in überzeugender und durchaus erschreckender Weise aufzeigen.

Viele der wie bei den Biennalen üblicherweise handverlesenen Künstler haben für die Ausstellung gezielt neue Werke erstellt. Ein großer Teil der KünstlerInnen ist amerikanisch (17), Europa ist eher gering vertreten.
Wenngleich die Zahl der geladenen Künstler dieses Mal vergleichsweise niedrig ist, ist die Zahl der ausgestellten Beitrag dennoch hoch, da jeder der geladenen Künstler in beiden Locations – Giardini bzw. Arsenal – ausgestellt ist und das mit mindestens zwei Beiträgen.

StadtfuehrungenVenedigArsenalBircken.jpg, Alexandra Bircken, Eskalation, 2016

Aus Deutschland kommen die drei Künstlerinnen Alexandra Bircken, Hito Steyerl und Rosemarie Trockel, von denen nur Alexandra Birken noch nie auf der Biennale zu sehen war.

StadtfuehrungenVenedigArsenalBuechel.jpg, Christoph Büchel, Barca Nostra, 2018-2019

Aus der Schweiz kommen die beiden KünstlerInnen Carol Bove und Christoph Büchel. Wie schon bei seinem Beitrag 2013 auf der Biennale (Länderpavillon) provoziert Büchel mit seinem Beitrag: er hat das Flüchtlingsboot, auf dem 2015 700 Menschen umkamen, ins Arsenal gebracht.

StadtfuehrungenVenedigArsenalMueller.jpg, Ulrike Müller, Rug, 2018

Aus Österreich kommt ein einziger Beitrag und zwar von der Künstlerin Ulrike Müller, die wie Alexandra Bircken ein Neuling auf der Biennale ist.

LÄNDERPAVILLONS

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Jos de Gruyter, Harald Thys, Mondo Cane, 2019

Bei der diesjährigen Kunst-Biennale nehmen 89 Länder LaenderBiennale2019 weltweit teil. Die Themen der Länderpavillons orientieren sich mehr oder weniger an dem Titel, den der Kurator der Ausstellung vorgibt, sind aber in der Regel individuell formuliert.

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Natascha Süder Happelmann, (ohne Titel), 2019

Deutschlands Pavillon hat in diesem Jahr gar keinen Titel. Kommissar ist das IFA. Kuratorin die aus Ungarn stammende Franciska Zólyom (1973), die seit 2012 die Direktorin der Galerie für Zeitgenössische Kunst in Leipzig (GfZK) ist. Die Künstlerin NATASCHA SADR HAHIGHIAN (geb. Teheran oder Budapest oder München oder Kassel im Jahre 1963 oder 1967 oder 1979 oder 1966 oder 1953) ist eine deutsch-iranische Installations- und Videokünstlerin, die für den Pavillon ein multimediales Kunstwerk mit musikalischem Konzept entwickelt hat, das zudem Architektur und Skulptur mit einbezieht. Analysiert werden aktuelle wirtschaftliche, politische und soziale Konflikte und deren Konsequenzen. Das Projekt geht über den Pavillon hinaus: Publikationen, Konzerte, Radioübertragungen, Lectures  werden die Themen in unterschiedlichen Kontexten und Räumen weiter behandeln.

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Pauline Boudry, Moving Backwards, 2019

Die Schweiz, deren Kommissar wie üblich PRO HELVETIA ist, hat als Kuratorin Charlotte Laubard eingeladen, und der Titel der Ausstellung ist Moving Backwards. Die Videoinstallation der beiden geladenen Künstlerinnen PAULINE BOUDRY und RENATE LORENZ zeigt, wie man sich in unserer aktuellen politischen Realität allem, was anders ist,  verschließt. Die Künstlerinnen untersuchen Bewegungen des Widerstandes wie Guerilla-Techniken, postmoderne Choreographie oder Element von Underground-Kultur, um zu einer „rückwärts“-Bewegung, Moving Backwards, zu animieren, die Toleranz, früher nicht unüblich, proklamiert. Performern wie Julie Cunningham, Werner Hirsch, Latifa Laabissi, Marbles Jumbo Radio and Nach wurden eingeladen,  um „rückwärts“ Bewegungen vorbildlich zu experimentieren. Wie im deutschen Pavillon gibt es auch hier ein Ausgreifen über den Pavillon hinaus in Form eines  Journals für die Besucher mit Statements von Philosophen, Künstlern, politischen Aktivisten, postkolonialen und queren Theorien, um diese Gedanken in die Welt hinaus zu tragen.

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Renate Bertlmann, Discordo Ergo Sum, 2019

Österreich, dessen Kommissar das Bundeskanzleramt ist, hat als Kuratorin Felicitas Thun-Hohenstein ernannt, welche RENATE BERTLMANN berufen hat, die erstmalig als Frau alleine den Länderpavillon bespielt. Das Thema des Pavillons ist Discordo Ergo Sum – ich stimme nicht überein, also bin ich. Die Installation der gebürtigen Wienerin ist vom Konzept her ironisch: nicht die Vernunft, „cogito/ich denke – also bin ich (Descartes)“, sondern die Intuition, „discordo/ich stimme nicht überein – also bin ich„, ist für die Künstlerin ausschlaggebend, also ihr eigener Weltblick. Das unterstreicht sie noch durch die Aussage Amo/ich liebe –  ergo sum, die auf der Fassade des Pavillons als großer Schriftzug zu lesen ist und als Sinnbild zu verstehen ist für das subversive Verhalten der Künstlerin. Die Installation von Rosen-Messern im Innenhof des Pavillons, welche Bild ist für die Zweispaltung – Dichotomie – unserer Existenz, fügt sich in diesen Kontext ein.

KOLLATERALE EVENTS

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Nic Fiddian Green, Horse, Madonna dell´Orto

Abgesehen davon gibt es während der 58. Kunstbiennale weitere Ausstellungen, die unter der Schirmherrschaft der Biennale laufen, die sogenannten „kollateralen EventsAusstellungenKunstBiennale2019 Und noch vieles anders, wie die Pferde von Nic Fiddian Green in Cannaregio …

 

DIE GOLDENEN LÖWEN 2019

Zur Jury, die die Löwen für den besten Pavillon, den besten Beitrag in der Ausstellung und das Lebenswerk vergeben, gehören die deutsche Direktorin des Gropius-Baus Stephanie Rosenthal, die türkische Kuratorin der VAC Stiftung Defne Ayas, die Italienerin Cristiana Collu, Direktorin der Galleria Nazionale d´Arte Moderna in Rom, Sunjung Kim, die Präsidentin der Stiftung Biennale im südkoreanischen Kwangju, und der US-amerikanische Ausstellungsmacher Hamza Walker.

Der erste Goldene Löwe – der Löwe für das Lebenswerk – wurde wie üblich vorab an den US-Konzeptkünstler Jimmie Durham vergeben.

Der Goldene Löwe für den besten Länderpavillon geht an Litauen mit dem Beitrag „Sun (Marina)“, die KünstlerInnen Lina Lapelyte, Vaiva Grainyte e Rugile Barzdziukaite. Der Goldene Löwe für den besten Beitrag in der Ausstellung wird vergeben an den afroamerikanischen Videokünstler Arthur Jafa.

Susanne Kunz-Saponaro
BestVeniceGuides
https://bestveniceguides.it/de/2019/04/23/biennale-in-venedig/
www.stadtfuehrungen-venedig.de/biennale.htm
www.stadtfuehrungen-venedig.de

 

 

 

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