Venezianischer Marmorino
Jul 5, 2021Architektur, Baumaterialien, Handwerk, Kultur, Kunst, Kuriositäten0 Kommentare
Bei Spaziergängen durch die Stadt sieht häufig Fassaden mit Resten von Fresken, abbröckelndem Putz und kleinen Muscheln, mit einfachen Ziegelsteinen oder Marmorplatten. In Venedig sind noch zahlreiche Baumaterialien aus unterschiedlichen Epochen erhalten: aufgrund seiner Nähe zum Salzwasser und seiner klimatischen Bedingungen war die Stadt schon immer ein „Versuchslabor für widerstandsfähige Wandbeläge”, um es mit den Worten des Architekten Scapin zu sagen.
Der beste war zweifellos der Marmorino, ein Marmorputz aus Löschkalk und Marmormehl, langlebig, umweltverträglich und mit guter Schutzwirkung auch gegen Feuchtigkeit und Wasser, weshalb er sowohl im Außen- als auch im Innenbereich zum Einsatz kam.

Marmorino in San Rocco
Marmorino war sehr verbreitet und erkennbar an seiner geringen Schichtdicke (etwa 5 mm), seiner glatten, glänzenden Oberfläche dank Verwendung hochwertiger Stoffe und sorgfältiger handwerklicher Ausführung, die darauf abzielte, einen Effekt zu erreichen wie bei einer Verkleidung aus Marmorplatten.
Marmorino wurde in seiner natürlichen Farbe (weiß) aufgebracht oder aber mit Pulverpigmenten (Erden und Oxiden) gefärbt, mit zartem Pastell. Wollte man eine kräftigere und robustere Farbe wurde er dann mit Freskotechnik bemalt oder auch in Nachahmung von Istrischem Kalkstein mit dem Stockhammer bearbeitet.
Normalerweise wurde der Marmorputz für eine glänzende Oberfläche mit Leinöl, Wachs oder Seife eingelassen. Der Zusatz von Öl bereits zum Gemisch sorgte für bessere Verbindung der einzelnen Bestandteile untereinander, mehr Elastizität und geringere Anfälligkeit für die Entstehung von Haarrissen.

Marmorini
Es sei auch daran erinnert, dass Marmorino recht vielseitig verwendet werden konnte – also nicht nur, um glatte, marmorierte, dekorierte oder farbige Wände zu schaffen, die aus echtem Marmor zu sein schienen, sondern auch zur Herstellung richtiggehender architektonischer Elemente als Relief oder Vollplastik und Statuen.
Schon Vitruv hatte im VII. Buch seiner De Architectura von Marmorino gesprochen, eine Beschreibung seiner Herstellung gegeben und ausgeführt, dass „man nicht in allen Ländern die gleiche Art Marmor haben“ könne. Der für Venedig und sein Hoheitsgebiet typische Marmorino während der Zeit der Repubblica war häufig weiß, bedingt durch die Farbe des lokal vorkommenden Gesteins und des Istrischen Kalksteins, der – nach uralter Tradition zu Pulver vermahlen – ein weit verbreitetes Baumaterial wurde.
Marmorino kam in den Renaissancebauten von Sansovino und Palladio, von Alessandro Vittoria und Marco del Moro, während des 18. Jh. in Form gelungener Barock- und Rokokowerke, in der Klassizistik und danach im 20. Jh. bei dem großen Carlo Scarpa zum Einsatz.
Und heute? Werden immer noch die gleichen Techniken verwendet, um diesen wunderbaren Effekt zu erzielen?
Ich habe diese Frage denjenigen gestellt, die sich seit fünf Generationen mit Marmorino befassen. Leider werden die Personen, die noch Dekorationen mit dieser Technik auszuführen wissen, immer weniger. Sie ist über Jahrhunderte hinweg gleichgeblieben, außer bei der Herstellung der Basis und der Farbe, die nicht mehr in „Eigenregie” erfolgt, sondern industriell, also schneller, einfacher und nach kodifizierten Regeln.
Das Arbeiten mit Marmorino ist aber immer noch eine Kunst: sie erfordert gute Technik, Liebe, Erfahrung und sehr viel Geduld. Je nachdem, ob als Basis „grobkörniger” oder „feinkörniger” Marmorino verwendet wird, sind 3 bis 5 Schichten erforderlich. Die letzte Schicht wird mit Freskotechnik aufgebracht, wodurch die Streifen der vorherigen Schichten überdeckt werden und eine glänzende Oberfläche entsteht. Es wird auch immer noch gekochtes Leinöl in der Mischung verwendet und Seife oder Wachs als Abschluss, um die Wand wasserabweisend zu machen. Marmorino wird sogar in Badezimmern und Duschen verwendet!

Marmorini
Noch eine Kunst also, die in Venedig seit Jahrhunderten überlebt, zusammen mit der des „falschen Marmors”, des Stucks … Sind Sie neugierig zu erfahren, was die Unterschiede sind? Ich erwarte Sie in Venedig!
Ich danke Prof. Scapin für die hochinteressante Konferenz, die mich dazu angeregt hat, dieses Thema zu vertiefen und Vladimiro Todeschini für die wertvollen praktischen Informationen.
Alessia Ferrari Bravo
BestVeniceGuides
www.guidaturisticavenezia.it
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