Der Doge von Venedig Antonio Grimani zwischen Geschichte und Kunst

Apr 5, 2022Archäologie, Architektur, berühmte Gestalten, Bildhauerkunst, Geschichte, Kunst0 Kommentare

Das Leben Antonio Grimanis war reich an Höhen und Tiefen. Wenn man die Biographie von Andrea Da Mosto liest, spürt man ein intensives, spannendes Leben, in dem einem großen Ruhm ein schwerer Niedergang und dann wieder neue wichtige Glücksfälle folgten. Auf privater wie auch auf öffentlicher Ebene. Dass er kein einfacher Mensch war, erahnt man an seiner bronzenen Büste, die Andrea Briosco zugeordnet wird. Aber eins nach dem anderen…

Bronzene Büste von Antonio Grimani als Prokurator, die dem als “Il Riccio” (Lockenkopf) bekannten Andrea Briosco zugeordnet wird – Palazzo Grimani in Venedig

Das Leben Antonio Grimanis

Als Antonio am 28. Dezember 1434 zur Welt kam, lebte seine Familie unter prekären finanziellen Verhältnissen und in einer schwierigen sozialen Situation (seine Mutter gehörte keiner adeligen Familie an). Dank seiner Klugheit und einer gehörigen Dosis Glück, so Da Mosto, wurde er bald sehr reich. Nicht nur sehr reich, sondern auch höchst geschätzt als Handelsexperte, so dass Priuli von ihm sagte: „Wenn er Dreck anfasse, werde er zu Gold”. Außerdem wurde er zu einem ausgezeichneten Politiker.

Wie setzte man einen derartigen Reichtum ein? Antonio Grimani nutzte ihn auch, um  wichtige Bündnisse zu schaffen und vor allem, um seinem Sohn Domenico zur Kardinalernennung zu verhelfen. Aber dies bringt auch Verpflichtungen mit sich und als er 1499 erneut zum “Capitano da Mar” (Generalkapitän der Kriegsflotte) ernannt wurde, musste er die venezianische Flotte gegen die Türken führen. Leider steckte er eine furchtbare Niederlage bei Zonchio im Jonischen Meer ein und wurde dafür verantwortlich gemacht. Er wurde verhaftet und anschließend auf die Insel Cres verbannt. In seiner Geschichte Venetiens aus dem Jahr 1862 stellt sich Giuseppe Gatteri diese dramatische Szene mit ihm in schwarzem Gewand und roten Strümpfen, mit Fesseln an den Füßen, umgeben von seinen weinenden Kindern vor.

Giuseppe Gatteri, Prozess gegen Antonio Grimani, 1862

In  den Jahren der Liga von Cambrai und der Niederlage Venedigs in Agnadello 1509 konnte er sich mit Hilfe seines Sohns Domenico der Verbannung entziehen und zu ihm nach Rom fliehen. Die Gelegenheit, sich gegenüber der Republik zu rehabilitieren, bot sich gerade während des römischen Aufenthalts, als er vermeintlich mit großem diplomatischen Geschick Papst Julius II. della Rovere überzeugen konnte, sich nicht an dem Krieg gegen Venedig zu beteiligen. Somit konnte sich Venedig erholen. Ihm wurde deshalb die Verbannungsstrafe erlassen, so dass er in die Heimat zurückkehren und seine öffentlichen Ämter wieder aufnehmen konnte, bis er am 6. Juli 1521 zum Dogen gewählt wurde.

Das Votivbild von Tizian

Über 30 Jahre nach seinem Tod im Jahr 1523 beauftragte der Doge Francesco Venier Tizian, den Dogen Antonio Grimani vor dem Glauben kniend zu malen. Dies erfolgte am 22. März 1555 und wenige Monate später hatte der Maler die Arbeit bereits aufgenommen. Für Tizian waren die Jahre im Palazzo Dogenpalast sehr hektisch, jedoch blieb das Bild bis zum Tod des Malers 1576 unvollendet. Dieser Verzögerung ist es zu verdanken, dass das Bild nicht dem Brand zum Opfer fiel, der 1574 im Saal des Kollegiums ausbrach, wo es nach Fertigstellung hätte aufgehängt werden sollen.

Venedig, Dogenpalast, Saal der Vier Türen, Der Doge Antonio Grimani vor dem Glauben kniend, von Tiziano Vecellio und Gehilfen

Heute bewundern wir das Bild im Saal der Vier Türen, schräg gegenüber dem Portrait eines Urenkels Antonio Grimanis, Marino, der 1595 zum Dogen gewählt wurde. Wahrscheinlich war es gerade Marino, der das Votivbild seines Vorfahren vollenden ließ. Auf einer Seite des Bildes wendet sich der Evangelist Markus dem Glauben zu, mit dem brüllenden Löwen zu seinen Füßen und das Evangelium in der Hand haltend, um sich für den Dogen einzusetzen. In der Mitte steht die in goldenem Licht erstrahlende Allegorie des Glaubens, die mit dem Kelch in der Hand ein sehr schweres Kreuz trägt, mit Hilfe von flatternden Putten. Auf der rechten Seite steht letztlich er, Antonio. Das hagere Gesicht, der lange angespannte und runzlige Hals, die eingefallenen Augen und die Hände ausgestreckt, wie Christus am Kreuz. Und sein Gewand: Ein wunderschöner Mantel in Gold und Karminrot. Er trägt eine glänzende Rüstung und der Page neben ihm hält das „Horn“ (die Kopfbedeckung der Dogen), aus roten und goldenen Brokat, mit Perlen und Edelsteinen besetzt. Hinter ihm dienen zwei enorme Säulen als Kulisse, mit einem rubinroten Vorhang und dem Familienwappen auf der Fahne. Manche unterstellen, dass die Distanz zwischen dem Schutzheiligen und dem Dogen kein Zufall ist. Ganz gewiss lassen die gewaltige Rüstung und der prächtige Mantel den Betrachter nicht unbeeindruckt. Ebenso das Vorherrschen der Farben Rot und Gold, die symbolhaft für Venedig stehen. Zwischen Klassik und Macht.

Venedig, Dogenpalast, Saal der Vier Türen, Der Doge Antonio Grimani vor dem Glauben kniend, von Tiziano Vecellio und Gehilfen

Venedig, Dogenpalast, Saal der Vier Türen, Der Doge Antonio Grimani vor dem Glauben kniend, von Tiziano Vecellio und Gehilfen

Ein besonderer Saal im Palazzo Grimani von Santa Maria Formosa

Antonios Enkelsohn Giovanni Grimani, Patriarch von Aquileia, widmete dem Großvater einen wichtigen Saal in seinem Palast von Santa Maria Formosa. Mit ihm verband ihn eine umstrittene und schwierige Karriere und deshalb versäumte er nicht, im Rahmen der umfangreichen Umbauarbeiten, die zwischen 1558 und 1568 am Palast durchgeführt wurden, auch ein regelrechtes Mausoleum als Erinnerung an den berühmten Großvater errichten zu lassen. Dabei verwendete er antike und edle Materialien wie Marmor, um die Lästerzungen zum Schweigen zu bringen und dem Vorfahren seine Würde zurück zu geben. Somit konnte er aber auch sich selbst – und ich würde fast sagen vor allem sich selbst – und seinen Wunsch nach Revanche gegenüber dem widrigen Schicksal preisen… Aber das ist eine andere Geschichte und wir werden sie Ihnen gerne während der Besichtigung erzählen.

Palazzo Grimani in Venedig. Saal des Dogen Grimani

 

Luisella Romeo
BestVeniceGuides
www.seevenice.it
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