Ansichten und Landschaften im Hintergrund der venezianischen Malerei
Jul 5, 2022Geschichte, Kunst, Malerei0 Kommentare
Passiert es Ihnen manchmal, dass Ihr Blick beim Betrachten eines Gemäldes auf das Geschehen im Hintergrund der Hauptszene abschweift? Mit anderen Worten: lassen Sie sich ablenken?
Bei einer Führung durch die Kunstgalerien Venedigs, wie die Gallerie dell’Accademia, den Dogenpalast oder die Gemäldegalerie des Correr-Museums, finden Sie zahlreiche Gemälde mit einem Hintergrund, der eine längere Betrachtung verdient.
Ein Beispiel dafür ist die Serie von Votivbildern in der Sala del Collegio und der Sala del Collegio im Dogenpalast. Im Hintergrund sehen wir oft den Markusplatz, wie er Ende des 16. Jahrhunderts aussah. Dort sieht man zum Beispiel, wie der Campanile aussah, bevor er 1902 einstürzte, und wenn Sie dann direkt aus dem Fenster der Sala del Collegio blicken, sehen Sie wie der Campanile nach dem Wiederaufbau heute aussieht.

Paolo Veronese, Mars und Neptun, Dogenpalast, Collegio Saal, Venedig
Oder der Blick auf das Markusbecken, den ehemaligen Hafen von Venedig, mit den Schiffen, die dort vor Anker liegen. In Tizians Meisterwerk in der Sala delle Quattro Porte, zwischen dem Dogen Antonio Grimani und einem eindrucksvollen Markus mit Evangelium und Löwen, sehen wir eine wunderschöne Szene. Die Pinselstriche sind ungenau, doch kann man ein Schiff mit weißem Segel erkennen, das sich auf dem Wasser der Lagune spiegelt, so wie der Dogenpalast und sogar der Campanile. Diesen Blick hat man von der Insel San Giorgio Maggiore aus, ein auch heute noch beliebter Ausblick für Fotografen.

Votivtafel von Tizian, Doge Antonio Grimani vor der Allegorie des Glaubens, Dogenpalast, Venedig

Detail des Hintergrunds der Votivtafel von Tizian im Dogenpalast, Venedig
Lassen Sie sich den Hintergrund der Darstellung Marias im Tempel in der Sala dell’Albergo della Scuola della Carità nicht entgehen, die heute Teil der Gallerie dell’Accademia ist. Hinter der Architektur lassen sich traumhaft schöne blaue Berge erkennen. Glauben Sie mir, wenn Sie an einem kalten Wintertag kommen und auf die Terrasse des Fontego dei Tedeschi am Rialto oder auf den Glockenturm von San Marco steigen, werden auch Sie diese wunderschönen blauen Berge sehen. Mal schneebedeckt, mal nebelverschleiert, zeigen sich die Dolomiten in all ihrer Erhabenheit.

Mariä Tempelgang von Tizian, Gallerie dell’Accademia, Venedig

Detail des Hintergrunds von Mariä Tempelgang von Tizian, Venedig
Tizian hat nicht zufällig die Dolomiten porträtiert , denn er wurde in Pieve di Cadore geboren. Auch auf den Altarbildern von Giambattista Cima da Conegliano finden wir dieses Blau bei den Bergen und Hügeln nahe bei Conegliano, meist zum Frühlingsanfang. Venetien ist eine traumhafte Inspirationsquelle.
Ein Gemälde von Palma dem Jüngeren in der Sala del Senato gefällt mir ganz besonders, gerade wegen seines Hintergrunds. Es stellt die Allegorie des Krieges von Cambrai dar. Das siegreiche Venedig zieht sein Schwert und siegt gegen Europa. Eigentlich war es kein wirklicher Sieg, eher im Gegenteil. Hier wird die Manipulation historischer Ereignisse zur Betonung der Macht Venedigs offensichtlich. Im Hintergrund sehen wir weder die Lagune noch den Markusplatz, sondern das Festland, den Stato da Terra, die eroberten Gebiete bis nach Bergamo.

Doge Leonardo Loredan, Allegorie des Krieges von Cambrai von Palma dem Jungen, Senatsaal im Dogenpalast, Venedig

Detail der Allegorie des Kriges von Cambrai im Senatsaal, ein Gemälde von Palma dem Jungen
Der Grund dafür ist weder dekorativ, noch symbolisch: Die Hintergründe in der Früh- und Spätrenaissance vermitteln den Eindruck eines starken Realismus. Wenn wir den Markusplatz und den Dogen betrachten, betonen wir zum einen die Rolle des Platzes als politisches Zentrum und zum anderen die Autorität des Staatsoberhauptes. Gleichzeitig sorgt, sowohl in religiösen als auch in politischen Gemälden, die Präsenz einer natürlichen oder städtischen Landschaft für einen realistischen Rahmen, fast wie ein Zeitungsartikel.

Der Markusplatz als Hintergrund eines Gemälde im Senatsaal des Dogenpalastes in Venedig

Der Markusbecken als Hintergrund eines Gemälde im Senatsaal des Dogenpalastes in Venedig
In manchen Fällen ist der Hintergrund noch interessanter ist als die Hauptszene. In den Gallerie dell’Accademia dürfen natürlich auch Giorgiones geheimnisvolles Gewitter „La Tempesta“ und Vittore Carpaccios Zyklen nicht fehlen.
Carpaccios narrative Ader ist unglaublich. Sehen Sie sich den Rialto am Ende des 15. Jahrhunderts an. Das Hauptmotiv des Gemäldes ist offiziell die Teufelsaustreibung auf der Terrasse des Palazzo del Patriarca di Grado, was allerdings niemandem auffällt.
Mein Lieblingshintergrund? Die von Carpaccio gemalte Jagdszene in der Lagune, die im Paul Getty Museum in Los Angeles zu bewundern ist.

Vittore Carpaccio, Jagd in der Lagune Venedigs, Paul Getty Museum, Los Angeles
Dieses Bild bildet den Hintergrund für das Gemälde „Zwei Kurtisanen“ von Vittore Carpaccio, das im Correr-Museum in Venedig zu sehen ist.

Vittore Carpaccio, Zwei Venezianischen Damen, Correr Museum, Venedig
Wer sind diese beiden Damen, sind sie Kurtisanen? langweilen sie sich und warten auf die Rückkehr ihrer Ehemänner, die in der Lagune jagen? Es gibt viele Interpretationen. Tatsache ist, dass jemand diesen Hintergrund für so interessant gehalten haben muss, dass es sich sogar lohnte, das Bild in zwei Teile zu schneiden!

Die zwei Gemälde als sie ursprünglich waren: ein einziges Bild von Vittore Carpaccio
Ohne die halbe Lilie wäre wohl niemand auf die Idee gekommen, dass die beiden Gemälde einst ein einziges Meisterwerk bildeten.
Luisella Romeo
BestVeniceGuides
www.seevenice.it
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