DER BAROVIER POKAL IM GLASMUSEUM AUF MURANO

Aug 5, 2022Geschichte, Glas, Handwerk, Kunst0 Kommentare

Bilden die Mona Lisa und der Stein von Rosette einen absoluten Höhepunkt der Besichtigung jeweils im Louvre und im British Museum, so ist der Barovier Pokal die berühmteste Attraktion vom Glasmuseum auf Murano.

Der Barovier Pokal

Jedes Mal, wenn ich den großen Saal auf der ersten Etage vom ehemaligen Palast Giustinian, heute Sitz des Glasmuseums, betrete, wird Blick sofort von der Farbe eines links alleinstehenden Pokals  gefangen.

Der Pokal ist aus Glas, natürlich; das Glas ist kobaltblau.
Der Pokal ist nicht sehr groß; jedoch ist seine blaue Farbe so prägnant, so elektrisch, daß ich jedes Mal gefesselt bin.

the Barovier cup in the Glass Museum in Murano in the copy of the end of the 19th century attributed to Francesco Toso Borella

Der Barovier Pokal im Glasmuseum auf Murano, Kopie aus dem späten 19. Jahrhundert, Francesco Toso Borella zugeschrieben

Wie ein Kind drehe ich mich in einer Art von Tanz um den Pokal herum.

Der Pokal hat einen hohen Fuß und die Kuppa hat eine farbige Emailmalerei, zum Teil auch aus Gold.

Fuß vom Pokal, Kopie aus dem späten 19. Jahrhundert, Francesco Toso Borella zugeschrieben

Man erkennt zwei Medaillons, das Profil von einem Mann und einer Frau.

medallion with the profile of a man

Medaillon mit dem Profil von einem Mann

Medaillon mit dem Profil von einer Frau

Ich frage mich immer, in welche Richtung man die allegorischen Szenen lesen sollte. Die Dame schaut zu einem leeren Springbrunnen, zu welchem von rechts aus 5 junge Damen reiten. Zu ihnen schaut von der anderen Seite ein Mann (was hält er übrigens in seiner Hand?).

young ladies riding towards the fountain

die jungen Damen, die zum Springbrunnen reiten

the man in the medallion looking towards the ladies

der Man im Medaillon, der zu den Damen schaut

Zwischen den Medaillons sind also auf einem grasgrünen Untergrund eine Reitergesellschaft von Damen gemalt worden und Badende im Springbrunnen der Liebe oder der Jugend.

ladies bathing in the fountain of love and youth

Badende im Springbrunnen der Liebe oder der Jugend

Angelo Barovier und kristallklares Glas

Der Pokal wird auf 1470/1480 datiert und Angelo Barovier zugeschrieben, der als Erfinder von kristallklarem Glas gilt; das genaue Rezept ist geheim geblieben. Für dieses Glas wurde er so berühmt, daß er nach Mailand zum Hof von Francesco Sforza eingeladen wurde. Ob er den Pokal dekoriert hat, ist sehr umstritten, und sehr unwahrscheinlich.

Eine Dame links vom Brunnen überreicht eine rote Blume einer der Badenden. Eine Rose? Ein Zeichen der Liebe? Man vermutet, dieser Pokal war als Hochzeitspokal gedacht. Vielleicht glückverheißend?

the cup seen from the other side in the copy of the end of the 19th century attributed to Francesco Toso Borella

der Pokal, von der anderen Seite betrachtet, Kopie aus dem späten 19. Jahrhundert, Francesco Toso Borella zugeschrieben

Ich versuche, mir vorzustellen, was es damals bedeutete, ein solches Geschenk zu bekommen, aus welchen Gegenständen eine Aussteuer bestand, wo hätte die Besitzerin ein solches Stück hingestellt.

In einem Buch (1) recherchierte die Autorin bei 600 Unterlagen von venezianischen Notaren, zwischen 1570 und 1600; eine Quelle an Infos über unbewegliches und bewegliches Vermögen. Bilder tauchen in 80 Prozent der Unterlagen auf, besonders religiöse Themen (a la greca), Portraits, Lampen (cesendelli), Spiegel, Musikinstrumente und Waffen. Gegenstände aus Glas findet man fast nur ausschließlich in den Akten der Patrizier, Vasen aus Glas, Schüsseln (secchiello) und Pokale.

Das Museum für Angewandte Kunst in Köln, MAKK

Leider sind nur wenige ähnliche Glaspokale aus dieser Zeit erhalten. Ein Pokal ist im Museum für Angewandte Kunst in Köln. Auf diesem Pokal (15,6 cm h) erkennt man einen festlichen Hochzeitszug, mit musizierenden und tanzenden Paaren, Kindern, hornblasenden Putti und einer auf einem Wagen sitzenden Braut und einem Jungen mit einer Taube.

Am oberen Rand der Kuppa weist eine Inschrift ‚asai dimanda chi servendo tace‘ (viel fraget der, der dienend schweigt), auf einen möglichen Zusammenhang mit einer Hochzeit.

Ein ähnlicher Pokal mit der Flucht aus Ägypten und den heiligen Königen bemalt ist in Bologna im Museo Civico Medievale ausgestellt.

Möchten Sie dieses Prachtstück für die Geschicklichkeit der raffinierten Emailmalereien und weitere Schätze entdecken?

Wir BestVeniceGuides Stadtführer freuen uns, Sie durch das Glasmuseum auf Murano führen zu können.

Fiona Giusto
BestVeniceGuides.it
www.venicetours.it

  • Dentro le case, Isabella Palumbo Fossati Casa

Wenn Sie eine Stadtführung mit Fiona Giusto buchen möchten, schreiben Sie an fiona.giusto@gmail.com

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