Roberto Piffer, ein junger Schneider in Venedig

Sep 5, 2022die Mode, Geschichte, Handwerk, Kultur0 Kommentare

Bei dieser Gelegenheit möchte ich Ihnen die Geschichte eines Freundes erzählen, einer Person, die ich sehr schätze, Roberto Piffer.

Roberto Piffer ist ein junger Schneider, der sein Atelier Ende Oktober 2021 hier in Venedig, in der Nähe von Ruga Giuffa, wenig entfernt vom Campo Santa Maria Formosa, eröffnet hat.

Roberto Piffer, Foto von Marc De Tollenaere

Roberto stammt aus einem kleinen Bergdorf namens Cembra in der Provinz Trient und hat sich vom ersten Augenblick an in Venedig verliebt. Nach dem Besuch des Kunstgymnasiums in Trient mit der Spezialisierung in „Schmuckdesign“ führte ihn sein Talent dank einer Auszeichnung für eines seiner Projekte zum ersten Mal in die Lagunenstadt. „Ich war richtig hingerissen von dieser Stadt!“, so ist Venedig in kurzer Zeit zu seinem „Zuhause“ geworden. Auch während seiner Schulzeit besuchte Roberto einen Schnitt- und Nähkurs, der ihn sehr begeisterte und amüsierte: Mit der Lehrerin Bona Piras entdeckte er sein angeborenes Gespür für Mode, von Röcken über Hosen bis hin zu Hemden, Schnittmustern und Papiervorlagen, in denen er seiner außergewöhnlichen Kreativität freien Lauf lassen konnte.

Das Leitmotiv Venedig taucht erneut mit der Entscheidung auf, sich an der Fakultät für Modedesign an der IUAV-Universität von Venedig einzuschreiben, wobei er zuerst die Eingangsprüfung besteht, die bekanntermaßen sehr selektiv ist, und dann mit Bestnoten abgeschließt. Inspiriert von einem Praktikum in der Werkstatt des international renommierten Meisters Stefano Nicolao in Venedig, schreibt Roberto seine Dissertation zum Thema Zeit in der Modewelt und wie bestimmte Stile im Laufe der Geschichte zyklisch wiederkehren.

Es gehört schon eine Menge Mut dazu, heutzutage ein Atelier in Venedig zu eröffnen, Roberto sagt aber: „Wenn man sich nicht als junger Mensch traut und Risiken eingeht, wann dann?“ Für ihn sind Stoffe eine riesige, vielfältige Welt, wobei er eine besondere Vorliebe für Stoffe hat, die ein Gewicht, einen Körper, eine klar definierte Textur haben, wie Samt, Wolle, Baumwolle… Bescheidenheit und Charisma gehen Hand in Hand mit der Persönlichkeit von Roberto Piffer, der bereits mehrere Projekte verwirklicht hat, darunter Theaterkostüme, auch in Zusammenarbeit mit dem venezianischen Regisseur Mattia Berto und kürzlich die „Capsule Second Skin“, eine Kollektion von Seidenkreationen, die nicht nur venezianische Frauen erobert hat, denn auch in Wien und London gibt es Menschen, die von der Handwerkskunst des jungen Schneiders fasziniert sind.

Capsule Second Skin, Kollektion von Seidenkreationen, Foto von Giorgia Chinellato, Modell: Deborah Gitahi

Capsule Second Skin, Kollektion von Seidenkreationen, Foto von Giorgia Chinellato, Modell: Deborah Gitahi

Authentizität, Maßarbeit, Sensibilität und Liebe zum Detail: Roberto Piffer ist all dies und für mich eine wunderbare Präsenz in der Welt des venezianischen Handwerks, eine wertvolle Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft dieses Metiers.

Ein kleiner Mosaikstein: Die Kunst der Schneidermeister in Venedig in der Vergangenheit

Die älteste Konvention des venezianischen Handwerks ist die Ordnung der Schneider. Die „Scuola dei sartori“ (die Gilde der Schneider) entstand 1391 und 1485 erlangte sie Besitz des Leichnams der Heiligen Barbara, die in der Crociferi Kirche (Crociferi=Orden der Kreuzträger) verehrt wurde. Die Kunst der Schneider war in drei Zweige unterteilt: Schneider für Kleider, für Ziboni (Jacken) und für Strümpfe; am Ende der Republik zählte sie 172 Werkstätten, 279 Schneidermeister, 200 Arbeiter und 2 Lehrlinge. Der Gilde gehörte der zweite Altar rechts in der Jesuitenkirche, wo vier Scheren, ein Attribut der Schneiderkunst, in die Marmorbrüstung eingemeißelt sind, und die Bilder der Heiligen Barbara und Omobono, die Schutzheiligen dieser Kunst, die diese überragen.

Jesuitenkirche, Altar der Scuola dei Sartori, Venedig

 

Im Campo dei Gesuiti sind noch heute Scheren auf der Marmorbekrönung eines niedrigen Fensters zu sehen, die in zwei kleine Ovale eingemeißelt sind, sowie eine weitere Inschrift auf den Fundamenten der Schneider: alles Zeichen, die von den alten und wertvollen Ursprüngen dieses Handwerks zeugen!

Scheren auf der Marmorbekrönung eines Fensters, ehemaliges Jesuitenkloster, Venedig

Wenn Sie daran interessiert sind, die verschiedenen Facetten der venezianischen Handwerkskunst kennenzulernen, würden wir uns von BestVeniceGuides freuen, Sie auf einem Rundgang zu begleiten, der speziell diesem Thema gewidmet ist.

Barbara Tasca
BestVeniceGuides
www.thinkvenice.com

 

 

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